Bist du ein Untertan?

Eine für Schüler*innen der S 1 und S 3 auf den ersten Blick eher unscheinbare Schullektüre, „Der Untertan“ von Heinrich Mann führte unsere Deutschkurse unter der Leitung von Frau Brenzinger, Frau Buchholz und Frau Kirchbauer am Nikolaustag noch ein kleines Stück weiter räumlich in den Norden.

Für manche unserer Mitschüler*innen unerklärlich, wieso man sich mit der Odyssee des Diederich Heßling noch weiter auseinandersetzen wolle? Jedoch waren wir erstaunt über all das, was uns in Lübeck auf dem literarischen Spaziergang des Buddenbrookhauses und dem Besuch der Sonderausstellung „Über Autorität und Gehorsam“ zum Werk und zur Biografie des Autors Heinrich Mann im St. Annen-Museum geboten wurde.

Bei ungemütlichem Wetter begann die Führung durch die Straßen Lübecks, welche uns die Entwicklung der „Mann-Brüder“ sowie die Orte näherbrachte, die zur Inspiration für Heinrich Manns Zeitroman der Wilhelminischen Ära wurden. Der Charme der Stadt katapultierte uns förmlich zurück in diese Zeit. Von der atemberaubenden Architektur der Marienkirche bis hin zum Katharineum-Gymnasium, an welchem Heinrich Mann sich womöglich auch vor den langweiligen Schullektüren sträubte, ließ uns die unscheinbare Nachbarstadt mehr und mehr staunen, wie viel Geschichte und welche Facetten doch hinter einer solchen Lektüre stecken. Die literarische Entwicklung des Romans ließ sich gut an den unterschiedlichen Handlungsorten vom Ratskeller bis hin zum Theater oder der Apotheke nachvollziehen.

Die Sonderausstellung „Der Untertan – Über Autorität und Gehorsam“ im St. Annen Museumsquartier ermöglichte dann erneut einen intensiven Blick auf das Werk: Mit bizarrer Liebe zum Detail, sei es mit Bedacht ausgewählte Portrait-Aufnahmen Kaiser Wilhelms, dem Twitter-Profil von „Judas“ oder der in einer Vitrine dargestellten „Bockwurst von Guste Daimchen“ – alles stellte auf plakative Art und Weise den Bezug auch zur heutigen Zeit her. Den historischen literarischen Aspekten wurden heutige Fragestellungen gegenübergestellt: Hat sich die Rolle der Frau verändert? Wie steht es um die Arbeiter*innen und ihrer sozialen Stellung? Jedes einzelne Detail brachte uns ein Stückchen näher an die damalige Epoche und ihre Konflikte. Konflikte, welche uns bis heute beschäftigen. Konflikte, welche so verzweigt und paradox sind, dass es keine „richtige Antwort“ gibt. Wenn es einem zuvor nicht klar war, merkte man spätestens in Lübeck, dass es keine einfachen und eindimensionalen Antworten im Roman „Der Untertan“ gibt – nicht nur ein Gut oder Böse, Richtig oder Falsch und Liebe oder Hass. Inwieweit Respekt, Ehrfurcht, Autorität und Gehorsam eins werden, wer man selbst ist – Untertan oder jemand, der andere tritt – das sind die Fragen, die einen zum Nachdenken anregen.

Besinnt von neuen Eindrücken und Perspektiven trennten sich unsere Wege, denn wo es für die einen schon wieder mit dem Zug nach Hamburg ging, flanierte so manch einer noch über den Lübecker Weihnachtsmarkt, um Schmalzkuchen oder „Mutzen“ literarisch auszuwerten. Doch egal, wohin unsere Wege uns führten, mit der Netziger Zeitung in der Hand und einer neu gewonnenen Anschauung sahen wir nun sowohl den Untertan als auch Lübeck mit anderen Augen als zuvor.

 

Ein Bericht von Larissa A.; Fotos: Janine Brenzinger